Veranstaltung: | KSJ-Bundeskonferenz 2017 |
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Antragsteller*in: | VuV (dort beschlossen am: 12.12.2017) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 12.12.2017, 14:12 |
A6: Gutes Leben für Alle
Antragstext
Weltweit waren Ende 2016 65,6 Millionen Menschen auf der Flucht.[1] Die Gründe
dafür sind vielfältig und global miteinander vernetzt. Daher muss sich jede
Gesellschaft damit auseinandersetzen, wie sie mit Personen umgeht, die
geflüchtet sind oder noch flüchten werden und welche Konsequenzen für ihr
Handeln sie daraus zieht.
Ziel aller Anstrengungen muss sein, dass jeder Mensch mit allem, was ein Gutes
Leben ausmacht, überall auf der Welt leben kann. Wenn an einem Ort ein gutes
Leben nicht (mehr) möglich ist, muss jede Person das Recht haben, sich einen
neuen Ort zum Leben zu suchen, wie es auch durch das UN-Recht auf globale
Bewegungsfreiheit besagt. Wir wissen, dass diese anspruchsvolle Vision nicht
schnell und einfach erreicht sein wird. Gleichzeitig nehmen wir zur Kenntnis,
dass es bis zum Erreichen dieses Ziels Fluchtbewegungen geben wird. Wie wir mit
diesen Bewegungen umgehen sollen und welches die nächsten Schritte in Politik
und Gesellschaft sind, die zu unserer Vision führen, erläutern wir in den
folgenden Abschnitten.
Für viele Menschen sind derzeitige Fluchtursachen unter anderem (Bürger)Krieg,
politische Verfolgung, Verfolgung von Minderheiten, Staatszerfall, Armut und
Naturkatastrophen. Letztgenannte Ursache wird in Folge des menschengemachten
Klimawandel immer häufiger werden und in immer größerem Maße Menschen dazu
zwingen, ihre Heimat dauerhaft zu verlassen.Neben diesen Gründen steht die
generelle ungerechte Verteilung von Arbeit und Wohlstand. Deswegen bewegen sich
Menschen dorthin, wo Wohlstand vorhanden ist, um an diesem teilzuhaben.
- (Bürger)Kriege durch das Stoppen von Waffenexporten[2] und den Einsatz
ernsthafter Diplomatie, bei der das Leben eines jeden Menschens oberste
Priorität besitzt, beenden.
Dieses Verfahren ist schon seit Langem umstritten, da somit die Länder an den
EU-Außengrenzen wie Italien, Spanien oder Ungarn fast alle Asylverfahren
bearbeiten müssen. Diese sind zunehmend überfordert, weshalb eine
menschenwürdige Unterbringung nicht gewährleistet ist. So dürfen seit 2011 nach
einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wegen der dortigen
Unterbringungsbedingungen keine Asylbewerber mehr nach Griechenland
zurückgeschickt werden.[3]
Nach dem großen Anstieg der Zahlen von Asylsuchenden 2015 war das Dublin- System
zeitweise völlig überfordert.[4] Bestrebungen, Geflüchtete über Quoten auf
verschiedene EU-Staaten zu verteilen, sind bis heute gescheitert.[5]
Das aktuelle Ziel der EU-Asylpolitik ist es, die Anzahl der Geflüchteten, die
Europa erreichen wollen, zu verringern. Das bekannteste Beispiel dafür ist das
EU-Türkei- Abkommen: Die Türkei verhindert die Weiterreise der Geflüchteten und
nimmt abgeschobene Personen auf. Im Gegenzug dürfen syrische Kriegsflüchtlinge
in die EU einreisen, welche zusätzlich Flüchtlingsprojekte finanziell sichert.
Außerdem werden der Türkei politische Anreize geboten.[6]
Nachdem sich das Abkommen als Erfolg für die EU erwiesen hat, da die
Flüchtlingszahlen über diese Route deutlich gesunken sind, wird jetzt mit
weiteren Staaten verhandelt, etwa mit dem Niger oder dem Tschad. Diese sollen
ihre Grenzen zukünftig mit Unterstützung der EU besser überwachen und
Geflüchtete in Auffanglager bringen, in denen dann über ihren Asylantrag
entschieden werden soll. Parallel dazu wird die lybische Küstenwache mit
modernen Booten ausgestattet, um die “Schleuserkriminaltiät” zu bekämpfen.[7]
Neben der Abschottung der “Festung Europa” nach außen besteht ein wesentliches
Problem des aktuellen europäischen Asylsystems besteht in der mangelnden
Solidarität der Mitgliedsstaaten untereinander[8]. Wir fordern deshalb:
- Die EU darf nicht mit Diktaturen und autoritären Staaten zusammenarbeiten,
um Menschen auf der Flucht zu stoppen und möglichst weit vor den eigenen
Grenzen abzufangen. Stattdessen müssen legale Möglichkeiten geschaffen
werden, Asylanträge zu stellen und in die EU einzureisen, ohne dabei das
eigene Leben zu riskieren.
- Asyl darf sich nicht nur an politisch Verfolgte oder Kriegsflüchtlinge
richten. An Entwicklungen wie existentieller Armut und dem Klimawandel
tragen europäische Gesellschaften eine erhebliche Mitschuld, etwa durch
Raubbau oder Vertreibungen. Den Opfern dieses Wirtschaftssystems gegenüber
haben wir eine Verantwortung, der sie nachkommen müssen.
Das Recht auf Asyl hat in Deutschland laut Grundgesetz jede Person, die
politisch verfolgt wird (Art.16a GG). Zusätzlich gewährt die Genfer
Flüchtlingskonvention allen Personen Schutz, welche aufgrund ihrer Religion,
Nationalität, politischer Überzeugung und/oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten
sozialen oder ethnischen Gruppe verfolgt werden. Menschen, die zum Beispiel vor
Armut, Perspektivlosigkeit, Naturkatastrophen oder Krieg fliehen, haben kein
Anrecht auf Asyl, sie können lediglich subsidiären Schutz beantragen. Ausnahmen
dazu kann eine Regierung beschließen, was beispielsweise im Fall Syrien passiert
ist.
Der Umgang mit Personen, die in Deutschland einen Asylantrag stellen, ist in
gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren geregelt. Diese Verfahren wurden in den
letzten Jahren geändert; hierbei wurden die Rechte der Asylsuchenden
eingeschränkt und die Verfahren verschärft.[9]
Verschieden Studien zeigen, dass nationalistische, völkische, rechte und
rechtsextreme Potenziale innerhalb der Gesellschaft keine neue Entwicklung sind
(siehe beispielsweise Studie zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in den
Jahren 2002-2012). Insbesondere in den letzten Jahren wurden diese Potenziale
von neurechten Gruppen kanalisiert, die durch polemische und populistische
Äußerungen auffallen. Diese Rhetorik des vermeintlichen Aufgreifens der „Sorgen
des kleinen Mannes“ nutzt Ängste von Menschen, um daraus politisches Kapital für
die Durchsetzung menschenfeindlicher Politik zu schlagen.
Die Grenzen des Sagbaren werden durch diese Gruppen durch die Überschreitung von
roten Linien schrittweise nach rechts verschoben, was menschenfeindliche
Äußerungen und Handlungen legitimiert und anfacht. Dies manifestiert sich in
Deutschland einerseits im Einzug von nationalkonservativen, rechtspopulistischen
und rechten Personen in den Bundestag sowie beispielsweise auch an stark
gestiegenen Angriffen auf Geflüchtetenunterkünfte[10].
Vermehrte Äußerung rechten Gedankenguts auch im öffentlichen Kontext sind eine
Gefahr für eine liberale und offene Gesellschaft, wie sie im Grundgesetz
verankert ist. Die Mehrheitsgesellschaft ist auch deshalb verpflichtet, der
(neuen) Rechten entschlossen entgegenzutreten und die Ursachen nicht nur
oberflächlich, sondern gesamtgesellschaftlich zu thematisieren.
Der “neuen Rechten” gegenüber steht eine Zivilgesellschaft, deren große
Potentiale sich 2015 erneut offenbart haben: Die Öffnung der deutschen Grenzen
war u.a. einer Reaktion auf den Druck eines großen Teils der Bevölkerung.[11]
Zehntausende Menschen engagieren sich ehrenamtlich auf ganz unterschiedlichen
Wegen für Geflüchtete und lassen sich dabei auch nach Jahren nicht entmutigen.
[12] In ganz Deutschland waren 2016 etwa 31 Millionen Menschen in
verschiedensten Bereichen ehrenamtlich aktiv.[13]
- Ehrenamtlicher Einsatz für die Gesellschaft muss von der Politik unter
allen Umständen gefördert werden. Solches Engagement ist für eine
Gemeinschaft unverzichtbar und sollte gleichberechtigt neben der
Erwerbsarbeit stehen. Hierzu ist auch eine generell Debatte über die
Arbeitswelt und deren schneller Veränderung nötig.
- Menschen, die sich Deutschland als weltoffenes und tolerantes Land
wünschen, dürfen in der aktuellen politischen Debatte nicht marginalisiert
werden. Bisher ist viel vom “Ernstnehmen besorgter Bürger” und dem
“Schließen rechter Flanken” die Rede. Man kann rechte Parteien nicht
bekämpfen, indem man selbst rechte Politik macht. Das zeigen die
Erfahrungen aus der Schweiz und Österreich. Ähnliches gilt für
Diskussionen über “Leitkultur” und “Heimat”, zumindest wenn sie zuerst
ausschließend verstanden wird.
- Wir fordern eine Reformierung des Sozialstaats, da eine prekäre Lebenslage
Ängste hervorruft und befördert. Politik und Wirtschaft propagieren
weiterhin das Wachstumsversprechen der freien Marktwirtschaft. An diesem
Wachstum und daraus resultierenden höheren Steuereinnahmen hat aber nur
ein geringer Teil der Bevölkerung Anteil. Solange die angemessene
Umverteilung von Kapital nicht Realität wird, manifestieren sich
berechtige Abstiegsängste, die auf andere Gruppen projiziert werden.
setzen uns auf allen Ebenen für diese politischen Ziele ein und werden diese
nach außen hin vertreten. Wir erklären im Sinne der Nächstenliebe unsere
Solidarität zu Geflüchteten und setzten uns in unserer Arbeit direkt sowie durch
die Anregung von und Beteiligung an politischen Debatte für und mit ihnen für
die Erfüllung unserer Vision ein. Eine ernsthafte Debatte über Zukunftsfragen
einer Gesamtgesellschaft kann nicht ausschließlich durch Politikerinnen und
Politiker geführt werden, sondern bedarf gleichberechtigte Einbeziehung
zivilgesellschaftlicher Akteure und der Geflüchteten selber - deshalb fordern
wir Politikerinnen und Politiker auf, Forderungen aus der Gesellschaft
angemessen zu beachten und nachhaltig in Überlegungen einzubeziehen.
[8]Deutschland hat hier moralisch keinen überragenden Stand, schließlich hat es
andere Länder selbst jahrelang nicht unterstützt
Begründung
Erfolgt mündlich.